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Gymnasiasten erinnern an die Bücherverbrennungen des Jahres 1933

Für die Freiheit des Wortes. Soldaten im Schützengraben fragen sich, wie es sein könne, dass „ein Land“ ein anderes beleidigt habe, und debattieren lebhaft darüber, ob nicht auch ein Kaiser, dem gerade noch ein großer Krieg zum unsterblichen Ruhm fehlt, mal aufs Klo muss. Derart zersetzende Gedanken, wie sie Erich Maria Remarques Roman „Im Westen nichts Neues“ enthält, sollten unter der Diktatur nicht länger verbreitet werden: Am 10. Mai 1933 vernichtetet nationalsozialistische Studenten öffentlichkeitswirksam „undeutsche Schriften“, die sie aus Bibliotheken entfernt hatten. Zum 85. Jahrestag der Bücherverbrennung haben nun fünfzehn Schülerinnen und Schüler des Schyren-Gymnasiums mit einer Lesung im Rathaussaal vor etwa fünfzig Besuchern an die verfemten Autoren erinnert. Dafür hatten sie hochkarätige Lesestimmen gewonnen: Richard Fischer, Hans Kern, Stephan Ligl, Steffen Kopetzky, Reinhard Haiplik und Bürgermeister Thomas Herker trugen Auszüge aus damals verbrannten – und heute gottlob wieder erhältlichen – Büchern vor, zum Beispiel von Joseph Roth und Lion Feuchtwanger. Zudem haben die Jugendlichen in der Kreisbücherei ein Regal eingerichtet, das mit ehemals verbotenen Titeln gefüllt werden soll, und die Porträts der betroffenen Autoren auf einer Grafittiwand verewigt. Sie haben ein Streichterzett für die musikalische Umrahmung engagiert und eine eigene Website eingerichtet. Souverän durch den Abend führten Andreas Hagl und Julia Körner. Den Höhepunkt der Veranstaltung bildete der Vortrag des Münchner Lyrikers Ludwig Steinherr, bei dem deutlich wurde, dass auch heute Autoren vielerorts verfolgt werden: Im Iran, in China, der Türkei und Saudi-Arabien werden Schriftsteller eingesperrt, denen man „Beleidigung“ der Mächtigen und „Terrorpropaganda“ vorwirft, um sie mundtot zu machen. Steinherr konstatiert einen weltweiten Negativtrend in Sachen Pressefreiheit. So werden zum Beispiel im EU-Land Ungarn von regierungsnahen Medien Schwarze Listen missliebiger Journalisten veröffentlicht. Pauschale Verunglimpfungen der freien Presse – sei es durch Donald Trump oder die AfD – bilden eine Vorstufe zur Abschaffung der Meinungsfreiheit. Die größte Eindringlichkeit entwickelte Steinherrs Vortrag, als er aus eigener Erfahrung von staatlich inszenierten Begegnungen mit Autoren in Syrien berichtete und Parallelen zur DDR zog. Alles in allem haben die jungen Leute mit ihrem ernsten Anliegen, betreut von Seminarleiter Thomas Fischer, eine bereichernde und eindrucksvolle Veranstaltung auf die Beine gestellt, der noch etwas mehr Zuhörer zu wünschen gewesen wären. Schade, dass in der Reihe der Lesenden weibliche Stimmen ganz fehlten!

Bild: Bei einer Gedenklesung zur Bücherverbrennung berichtet Autor Ludwig Steinherr aus eigener Erfahrung von lyrischen Begegnungen im Reich Assads. Foto: Roland Scheerer