Vortrag 50 Jahre SGP

SGP50 – die Geschichte des Schyren-Gymnasiums Pfaffenhofen

Vortrag des Schulleiters Herrn Boshof zum 50-jährigen Schuljubiläum am 28.05.2014:

Vorbemerkung

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Schülerinnen und Schüler,

zu Beginn meines Vortrags, zu dem ich Sie und euch herzlich begrüße, eine Vorbemerkung: Die folgenden Ausführungen stellen keine erschöpfende Geschichte des Schyren-Gymnasiums dar. Dazu reicht am heutigen Abend die Zeit nicht, und es hätten noch mehr historische Dokumente studiert werden müssen, als ich es getan habe.

Ich möchte Grundlinien der Entwicklung unserer Schule vor dem Hintergrund der allgemeinen gesellschafts- und bildungspolitischen Entwicklung der letzten 50 Jahre aufzeigen, den Versuch einer chronologischen Einteilung unternehmen und Charakteristisches herausarbeiten. Manche Aussagen sind vorläufig und als Annäherung an die historische Wahrheit zu verstehen. Vielleicht ergibt sich die Möglichkeit, zukünftig, zum Beispiel im Rahmen eines Projektseminars, tiefer in die Materie einzudringen.

Dabei befinde ich mich in der für einen Historiker unangenehmen Situation, dass zahlreiche hier Anwesende die Schule besser kennen als ich, der sie erst seit 2005 als Schülervater und seit 2009 als Direktor wahrnimmt. Der ein oder andere wird an den Objektivität beanspruchenden Thesen eines weitgehend Außenstehenden aus subjektivem Erleben heraus Ergänzungs- oder Korrekturbedarf anmelden. Vielleicht erkennt er ja auch seine eigene Schule nicht mehr wieder. Ich bin gerne bereit, mich belehren zu lassen.

Das Jubiläumsmotto „Schwung – Gemeinschaft – Perspektive“ ist keine präzise Analysekategorie für die Erforschung der Vergangenheit, doch lässt es sich auf die Schulgeschichte in unterschiedlichen Zusammenhängen anwenden. Das sollte im Folgenden deutlich werden.

Die Schulgründung 1964 und das Problem der quantitativen Bildungsexpansion

Das „Realgymnasium Pfaffenhofen a.d. Ilm“ nahm den Unterrichtsbetrieb unter der Leitung von Studienprofessor Fritz Ustrich zum Schuljahr 1964/65 mit neun Lehrkräften und 58 Schülerinnen und Schülern in zwei Klassen in den Räumen der Verbandsberufsschule am Schleiferberg auf.

Die Errichtung einer „höheren Lehranstalt“ war seit Ende der 50er Jahre geplant. Welche politischen und persönlichen Motive im Einzelnen auch immer dahinterstanden: Man reagierte damit frühzeitig auf eine gerade einsetzende bildungspolitische Diskussion in der Bundesrepublik über die Reformbedürftigkeit des dreigliedrigen Schulwesens mit vierjähriger Grundschule, das nach dem Zweiten Weltkrieg restauriert worden war. Sie fand im Jahr der Gründung des Pfaffenhofener Realgymnasiums in Georg Pichts These von der „deutschen Bildungskatastrophe“, die es zu beseitigen gelte, ein wirkungsvolles Schlagwort.

Im Kern ging es darum, den vermehrten Bedarf der modernen Gesellschaft an höher qualifiziertem Nachwuchs, nicht zuletzt zur Sicherung des erreichten wirtschaftlichen Wohlstands im internationalen Konkurrenzkampf, zu befriedigen und die Benachteiligung einzelner Bevölkerungsgruppen im Bildungsbereich zu entschärfen: der Mädchen, der Landkinder, der Kinder aus sozial schwächeren Schichten und der Katholiken. Außerdem musste dem tatsächlich steigenden Interesse am Besuch weiterführender Schulen anstelle der Hauptschule Rechnung getragen werden, das unter anderem eine Folge von Erleichterungen beim Aufnahmeverfahren und der Verwirklichung der allgemeinen Schulgeldfreiheit war.

Da lag es nahe, auch im katholisch und agrarisch geprägten Landkreis Pfaffenhofen neben dem bestehenden Gymnasium der Benediktiner im Kloster Scheyern ein weiteres Gymnasium aufzubauen. Der maßgeblich an der Schulgründung beteiligte damalige Pfaffenhofener Landrat und spätere bayerische Landwirtschaftsminister Dr. Hans Eisenmann konstatierte in einem Interview mit der Schülerzeitung rückblickend:

„Wie wir […] in einer Erhebung feststellen ließen, stand der Kreis Pfaffenhofen in der Möglichkeit weiterführender Schulen an vorletzter Stelle in Oberbayern. Auch ich selbst habe den Mangel an einer erreichbaren Schule in unserem Kreis gespürt. Die Bildungsmöglichkeiten waren bis vor kurzem noch außerordentlich schlecht. Aber die Voraussetzung zur Verbesserung der Lebensverhältnisse auf dem Land ist großenteils der Besuch einer höheren Schule. Deshalb war es mein erstes und größtes Bemühen als Landrat und Abgeordneter in unseren Kreis eine höhere Schule zu bringen.“

Die Entwicklung in der Bundesrepublik und in Bayern seit der Mitte der 60er Jahre bis in die Gegenwart hinein ist durch eine quantitative Bildungsexpansion gekennzeichnet: durch die rasante, auf unterschiedliche Ursachen zurückzuführende Zunahme der Schülerzahlen am Gymnasium und an der Realschule sowie der Studentenzahl an den Hochschulen. Die Auseinandersetzung mit den damit verbundenen Herausforderungen ist eine der Konstanten in der Geschichte des Schyren-Gymnasiums seit seiner Gründung: Bereits im Schuljahr 1971/72 besuchten es über 1000 Schüler, was die ursprünglichen Planungen bei Weitem übertraf, und in den Folgejahren wuchs es, nicht zuletzt durch den starken Zuzug in den Landkreis Pfaffenhofen, beständig weiter. Schon im Jahresbericht 1969/70 warnte der Elternbeirat, die Schule dürfe angesichts ihrer Größe „kein anonymer Bildungsapparat werden, in dem sich gegenseitige Fremdheit ausbildet“.

In der gesamten Bundesrepublik reagierte man auf den anhaltenden Schülerboom mit der Neugründung von Gymnasien, mit der Erweiterung bestehender sowie der Errichtung neuer Schulgebäude. Das Schyren-Gymnasium bezog 1968 den Neubau an der Niederscheyerer Straße 2, das Gebäude der heutigen Realschule, und 1976 den größeren Neubau an der Niederscheyerer Straße 4, in dem es nach wie vor untergebracht ist. Die Raumsituation blieb gleichwohl prekär und wurde oft beklagt. Zeitweise mussten sogar Mehrzweckraum, Silentiumraum, Tischtennisraum, Sprachlabor oder Stuhllager als Klassen- bzw. Kursräume herhalten, auch die Aulastühle fanden eine unterrichtliche Verwendung. Echte Entlastung brachte erst das Jahr 1994: zum einen mit der Fertigstellung des Erweiterungsbaus jenseits des Gerolsbachs, in dem auch die Schulbibliothek Platz fand; zum anderen mit dem Beginn des eigenständigen Betriebs am zwei Jahre zuvor als Außenstelle des Schyren-Gymnasiums eingerichteten Gymnasium Wolnzach. Erleichtert rief Schulleiter Josef Irlinger im Jahresbericht 1994/95 aus: „Wir haben erstmals in der Geschichte unserer Schule genügend Klaßzimmer und andere Unterrichtsräume, wir haben vergrößerte Räume für das große Lehrerkollegium, und wir haben Elternsprechzimmer!“ Der Personalrat ergänzte: „In der Kaffeeküche kommt man aneinander vorbei, ohne den Bauch einziehen zu müssen“. Nach der Inbetriebnahme des Gymnasiums Wolnzach ging die Schülerzahl am Schyren-Gymnasium zunächst leicht zurück, stieg seit 1999 aber wieder an und erreichte ihren bisherigen Höchststand im Schuljahr 2009/10 mit 1509 Jungen und Mädchen.

Der quantitativen Bildungsexpansion seit Mitte der 60er Jahre begegnete man in der Bundesrepublik auch mit einer „massenhafte[n] Mobilisierung für den Lehrerberuf“ (Herrlitz u.a. 2009). In Bayern nahm die Zahl der Gymnasiallehrer bis etwa 1980 stark zu. Dennoch war die Personalsituation ein Dauerproblem am Schyren-Gymnasium: Schon im Schuljahr 1969/70 konnte auf Grund der unzureichenden Lehrerversorgung in einigen Klassen der Pflichtunterricht nicht in vollem Umfang gehalten werden, und erst 25 Jahre später verkündete Direktor Irlinger die „erfreuliche Nachricht: […] Wir sind […] erstmals ausreichend mit Lehrkräften versorgt!“ Bis heute kann freilich von einer stets zufriedenstellenden Personalausstattung nicht die Rede sein. Besonders schwierig wurde und wird es immer dann, wenn Lehrkräfte, zum Beispiel wegen einer Erkrankung, längerfristig vertreten werden müssen. Das ist oftmals nur durch die Anordnung von Mehrarbeit möglich. Im Rückblick auf seine Zeit als Schulleiter bemerkte Irlinger 1997: „Noch heute erschrecke ich, wenn ich in den Personalakten blättere und sehe, dass 3-5 Überstunden für einen Lehrer jahrelang die Norm waren. Und dies bei Klassenstärken bis 42 Schüler pro Klasse!“

Übergroße, nicht nur aus heutiger Sicht unzumutbare Klassenstärken waren eine weitere Begleiterscheinung der quantitativen Bildungsexpansion und am Schyren-Gymnasium lange Jahre hindurch gang und gäbe. Die Überschreitung der Schmerzgrenze von 40 Schülern in der Jahrgangsstufe 5 – im Rahmen der damals gültigen Klassenbildungsrichtlinien – führte dann allerdings am 26. September 1978 zu einer Protestaktion der Betroffenen und ihrer Eltern. In der Folge konnten die Klassenstärken gesenkt werden, zudem erzwangen neue Richtlinien die Bildung kleinerer Klassen, was sich wiederum oftmals ungünstig auf die Raumsituation auswirkte. Noch heute sind Klassen mit bis zu 32 Schülern zwar nicht die Regel, aber auch nicht immer vermeidbar.

Vor dem skizzierten Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass bei einer Umfrage im Jahre 1978 eine relative Mehrheit der Fünftklässler angab, die alltägliche Hektik und die übervollen Klassen gefielen ihnen an der Schule am wenigsten. Auf dem nächsten Platz landete das frühe Aufstehen, mit dem sich jeder Zehnte nicht anfreunden konnte.

Dass das Schyren-Gymnasium auch den langfristigen Trends der qualitativen Bildungsexpansion folgte, zeigt sich etwa in der Geschlechterfrage: Bis zum Ende der 70er Jahre stieg die Zahl der Schülerinnen markant an, seitdem machen diese stets etwa die Hälfte der Schülerschaft aus; und seit dem Schuljahr 2004/05 unterrichten an der Schule mehr weibliche als männliche Lehrkräfte.

Die Ausbildung eines Schulprofils und die Beteiligung an Bildungsreformbemühungen seit den 60er Jahren

Unter der Leitung von Direktor Ustrich erhielt das Schyren-Gymnasium eine feste Struktur und bereits ein erkennbares Profil. Mit dem Personalrat, dem Elternbeirat, der Schülermitverantwortung sowie dem Schulforum installierte man die schulrechtlich geforderten Gremien. Im Schuljahr 1968/69 wurde der neusprachliche durch den mathematisch-naturwissenschaftlichen Zweig ergänzt, im folgenden Schuljahr der humanistische Zweig des benachbarten Benediktinergymnasiums im Kloster Scheyern übernommen, dem immer weniger hauseigenes Personal für den Unterrichtsbetrieb zur Verfügung stand und das unter steigenden Kosten litt.

1970 legte sich das Realgymnasium die Bezeichnung „Schyren-Gymnasium“ zu und tat damit einen weiteren Schritt in Richtung auf die Ausgestaltung einer eigenen Identität. Der Vorschlag, die Schule „Schmeller-Gymnasium“ zu nennen, und zwar nach Johann Andreas Schmeller, dem bekannten bayerischen Sprachforscher des 19. Jahrhunderts, der die Lateinschule in Scheyern besucht und zeitweise im Landkreis Pfaffenhofen gelebt hatte, fand keine Berücksichtigung. Das neue Pfaffenhofener war nicht aus dem alten Scheyerer Gymnasium hervorgegangen und konnte gar als Konkurrenz verstanden werden, auch wenn die Klosterleitung der Gründung des Realgymnasiums seinerzeit zugestimmt hatte. Der altertümlich anmutende Name sollte gleichwohl die Verbundenheit mit dem Kloster Scheyern als kulturellem Mittelpunkt des Pfaffenhofener Raums mit langer Tradition zum Ausdruck bringen, und man hatte ja kurz zuvor dessen Schüler aufgenommen. Zudem machte die Erinnerung an die Grafen von Scheyern, die Vorgänger der Wittelsbacher, deutlich, dass man sich im bildungspolitischen Aufbruch der Gegenwart des aktuellen Stellenwerts der altbayerischen Heimat und ihrer Geschichte sehr wohl bewusst war. Dementsprechend titelte der „Ilmgau-Kurier“ anlässlich der feierlichen Namensverleihung: „Im Schyren-Gymnasium verbinden sich modernes Bildungsinstitut und 850jährige Tradition“. Die Bezeichnung „Schyren-Gymnasium“ bereitet Außenstehenden auch heute noch Probleme: Kaum einer weiß, was sie bedeutet, und immer wieder ist in Schreiben oder E-Mails an die Schule vom „Scheyerer“-, „Scheyren“- oder gar vom „Schreyen“- Gymnasium die Rede.

Nicht wenige Schüler wurden noch bis 1976 in den Räumen des Klosters Scheyern unterrichtet. Die „Exilsituation“ war für die Betroffenen zum Teil belastend, die Verhältnisse in der alten Schule – auf dem Hügel – wurden im Vergleich zu denen im modernen Gymnasium – in der Ebene – als unzulänglich, aber sympathisch wahr­genommen. Das zeigen die folgenden Äußerungen eines Sechstklässlers und einer Neuntklässlerin in einer Ausgabe der Schülerzeitung von 1974:

„Um 7 Uhr 15 müssen alle Schüler von Scheyern an der Bushaltestelle am Schyren-Gymnasium sein. Dann sind schon nicht genug Sitzplätze für die Schüler vorhanden, und schließlich bleiben die Busse auch noch bis zu 10 Minuten stehen, so daß sich doch eigentlich das frühe Aufstehen erübrigen würde […] Wollten wir in Biologie oder Erdkunde einen Dia-Vortrag sehen, so müßten wir alle in den 3. Stock gehen, in den Physiksaal, denn er ist der einzige verdunkelbare Raum. Dann aber stellt sich das Problem in den Weg: Wir sind zu viele! Unsere vierzig Mann kann der Saal nicht aufnehmen, und so müssen wir völlig auf das Filmmaterial verzichten […] Die Tafeln in unseren Klassenzimmern sind nicht in der Höhe zu verstellen; und beim Öffnen der locker an der Wand befestigten Schaukästen muß man damit rechnen, daß sie einem auf den Kopf fallen. Im Werkraum stehen uns leider auch nicht die Mittel wie in Pfaffenhofen zur Verfügung […] Da uns die Busse meist nur in sehr geringer Zahl holen und spät kommen, trampen viele Schüler […] Angeblich soll der Unterricht in Scheyern strenger sein […] Informationen über SMV-Veranstaltungen, Jugendkonzert, ausfallende Stunden, und außerschulische Veranstaltungen fehlen fast völlig. Ein Schulsprecher ist zwar vorhanden, tut aber nach alter Schulsprechersitte auch nicht viel für sein Geld […] Ständig wird irgendwo etwas ausgebessert. Die Treppen sind ebenso zahlreich wie glitschig, die Dielen knarren […] Die zahlreichen Fenster schließen – wenn überhaupt – nicht schalldicht, was mangelnden Lärms wegen auch nicht nötig ist […] Die Alarmsirene (= Schulgong) kann (wenn sie funktioniert) am intensivsten im Physiksaal links oben genossen werden […] Auffallend auch die vielen Heiligenfiguren und die in die ehrwürdig-jahrhundertealten Bänke eingeritzten Sprüche […] Noch besser ist der Musiksaal: […] Riesentanzsaal mit kaputten Kontrabässen und Celli an der Wand lehnend. Der Plattenspieler ist uralt, der einzige Lautsprecher noch älter, der Saphir stammt aus der Steinzeit […] Für die Hausaufgaben gibt es leider keine Räume […] Mönche gibt es natürlich auch […] Sonst noch erwähnenswert: Aquarium, Waschbecken auf dem Gang, kein Parkplatz, zuviel Grünzeug […], keine Aula, kein Rauchverbot, kein Schwimmbad, kein schwarzes Brett, (fast) kein evangelischer Religionsunterricht, kein Handarbeitssaal, sonst auch nichts […] Also, mit einem Wort: eine richtig gemütliche Paukerschule, ohne jene Atmosphäre von Anonymität und Kälte, wie sie in Pfaffenhofen herrscht. (Einmal ist sogar ein Schmetterling in den Physiksaal geflogen).“

 Das Verhältnis zwischen der Schülerschaft des „neuen“ und „alten“ Gymnasiums war immer wieder Thema der SMV, die – wie etwa die Programme der Kandidaten für die Schülersprecherwahl 1973 offenbaren – um effektive und freundschaftliche Zusammenarbeit, um Gemeinschaft bemüht war. Die Verbundenheit mit Scheyern kam ferner darin zum Ausdruck, dass der Darstellung des Lebens im Internat breiter Raum in den Jahresberichten des Schyren-Gymnasiums gewährt wurde, dass nicht wenige Schulkonzerte im Kloster stattfanden und die Abiturgottesdienste bis 2006, als man erstmals die Stadtpfarrkirche Pfaffenhofen nutzte, in der Scheyerer Basilika abgehalten wurden.

Direktor Ustrich verließ das Schyren-Gymnasium nach seiner Berufung zum Ministerialbeauftragten für die Gymnasien in Niederbayern im Sommer 1971. Die Schule war mittlerweile im Landkreis Pfaffenhofen fest etabliert. Der erste Schülerjahrgang, gegenüber dem Schuleintritt neun Jahre zuvor zahlenmäßig leicht dezimiert, legte 1973 erfolgreich sein Abitur ab. Außerdem hatte das Gymnasium rasch den Charakter einer reinen Lehranstalt abgestreift und sich zu einem Lebensraum entwickelt, in dem über den Unterricht hinaus soziales Lernen sowie musische und sportliche Betätigung möglich wurden und sich eine Schulgemeinschaft ausbilden konnte. Manches von dem, was initiiert worden war, wurde zum festen Bestandteil des Schullebens unter Ustrichs Nachfolgern Josef Irlinger (1971-1997), Hans-Günter Gessler (1997-2009) und Dietmar Boshof (seit 2009).

So war eine Schülerzeitung gegründet worden, die als „Ilmfloh“, „Kneifer“, „Hinterbänkler“ trotz gelegentlichen kreativen Durststrecken und Streitigkeiten zwischen den Redakteuren bis heute eine rege Tätigkeit entfaltet hat. Höhepunkte ihrer Geschichte waren die Schuljahre 2002/03 und 2008/09, als die geleistete Arbeit jeweils mit  dem ersten Preis im Schülerzeitungswettbewerb Oberbayern-West gewürdigt wurde.

Das erste Skilager hatte 1967 für die Schüler der 7. Klassen auf dem „Tauernhof“ im Salzburger Land stattgefunden. Im Folgenden wurde es in wechselnden Jahrgangsstufen angeboten und schließlich kontinuierlich als „Wintersportwoche“ in Jahrgangsstufe 8 durchgeführt. Mit dem Skilager verbunden ist der schwerste Unfall bei einer Schulveranstaltung in der Geschichte des Schyren-Gymnasiums: der Zusammenstoß eines Busses mit Schülern auf dem Weg nach Süden mit einem Tanklastwagen auf der Autobahn bei Eching am 6. März 1971. Die Fahrzeuge gerieten in Brand, zum Glück kamen kein Schüler und kein Lehrer ums Leben. Die Aufarbeitung des Unglücks beschäftigte die Schulgemeinschaft eine geraume Zeit lang.

Im Jahr 1969 war der Tanzkurs für die Mittelstufe initiiert worden, der fortan – zuweilen als „brutale Unterdrückung der Frauenemanzipation“ kritisiert – viele Jahre hindurch von der SMV gemeinsam mit einer Pfaffenhofener Tanzschule in den Räumen des Gymnasiums organisiert wurde. Heutzutage findet er außerhalb der Schule statt, hat aber nichts an seiner Attraktivität für Heranwachsende, die etwas auf sich halten, eingebüßt. Von Anfang an schwungvoll waren die Faschingsfeste – dasjenige von 1971 stand unter dem Motto „Draculas Nacht: Blut floß in Strömen“, was heutzutage wohl einige besorgte Eltern auf den Plan rufen würde. Sie haben in Form des Unterstufenfaschings ihre Fortsetzung bis in die Gegenwart gefunden.

Schließlich sind die unverzügliche Gründung eines Schulchors, das frühzeitige Angebot an Instrumentalunterricht sowie die Aufführung der „Zaubergeige“ von Franz Graf von Pocci anlässlich des Festakts zur Einweihung des Schulgebäudes 1969 von Bedeutung. Hier wurde das vielfältige musikalische, literarische und künstlerische Leben am Schyren-Gymnasium grundgelegt, das der Schule bald den Ruf eines „musischen Gymnasiums ohne musischen Zweig“ einbrachte.

Schon in der ersten Phase der Schulgeschichte traten Alltagsprobleme auf, die historische Kontinuität bis heute für sich beanspruchen dürfen. In der Niederschrift über eine Lehrerratssitzung im November 1969 heißt es: „Es wird mit allem Nachdruck darauf hingewiesen, daß alle Lehrer sich dafür einsetzen möchten, die Disziplin im Hause stärker in den Griff zu bekommen. Das Experiment, den Schülern beim Pausenaufenthalt die Wahl zwischen Hof und Pausenhalle freizustellen, verläuft negativ: Die Verschmutzung der Pausenhalle nimmt zu.“

Georg Pichts Katastrophenthese von 1964 löste eine intensive schulpolitische Reformphase in der Bundesrepublik aus, der sich auch das Schyren-Gymnasium nicht entzog – ein Ausweis seiner Modernität. So startete im Schuljahr 1970/71 der Schulversuch „Orientierungsstufe“: Schüler des Gymnasiums und der Hauptschule wurden in den Jahrgangsstufen 5 und 6 nach nahezu gleichen Lehrplänen und Stundentafeln unterrichtet, es gab gemeinsame Leistungserhebungen sowie Lehreraustausch, erst am Ende der 6. Klasse wurde in einem pädagogischen Gutachten festgestellt, für welche Schulart ein Schüler tatsächlich geeignet war. Der Schulversuch beinhaltete auch das Fach „Technisches Werken“, das den Kunstunterricht ergänzte. Er zog eine Fülle an Sitzungen der beteiligten Gymnasial- und Hauptschullehrkräfte nach sich und lief erst mit dem Schuljahr 1992/93 aus, allerdings ohne tiefgreifende bildungspolitische Konsequenzen zu haben. Direktor Irlinger bilanzierte, etwas ernüchtert: „Am Gymnasium fiel wenigstens die belastende halbjährige Probezeit nach dem Übertritt weg!“

Im Schuljahr 1971/72 stieg man als eines von fünf Gymnasien in Bayern in den Schulversuch „Offenes Gymnasium“ ein, der Mitte der 80er Jahre beendet wurde: Die Schüler konnten die erste Fremdsprache – Englisch oder Latein – frei wählen, ohne sich damit bereits auf die spätere Ausbildungsrichtung festzulegen. Ebenso wie bei der Orientierungsstufe kam es darauf an, eine frühzeitige Spezialisierung der Schüler zu vermeiden und diese gemäß ihrer individuellen Begabung zu fördern. Dadurch sollte – ganz im Sinne des Gerechtigkeitspostulats der Bildungsreformer – nicht zuletzt die Übertrittsquote an das Gymnasium erhöht werden.

Diese lag im Landkreis Pfaffenhofen 1963 bei 7,5 %, das heißt an vorletzter Stelle in Oberbay­ern, 1967 bereits bei 17,5 % und damit knapp über, 1982 mit ca. 20% jedoch schon seit längerer Zeit wieder unter dem bayerischen Landesdurchschnitt. Der Zustand dauert an – 2012 betrug die Übertrittsquote im Landkreis Pfaffenhofen 34,1 %, in Bayern 39,5 % –, was immer wieder für Diskussionen gesorgt hat. Im Hinblick auf aktuelle Forderungen nach einer Erhöhung der Übertrittsquote sei auf die Stellungnahme eines Lesers des „Ilmgau-Kurier“ im Jahre 1974 verwiesen. Dieser warnte anlässlich der Bestrebungen zur räumlichen Erweiterung des überfüllten Schyren-Gymnasiums davor, der gewerblichen Wirtschaft „intelligente“ und „aufgeweckte“ Schulabgänger zu entziehen, weil diese, statt die Haupt- oder Realschule zu besuchen, sämtlich über den gymnasialen Weg ein Studium und einen akademischen Beruf anstrebten.

Auf dem Festakt zum 20jährigen Schuljubiläum wurde das Schyren-Gymnasium vom zuständigen Schulreferenten aus dem Kultusministerium gelobt: „[Die] Aufgeschlossenheit für neue Wege und Methoden gehört zu den Kennzeichen dieser Schule“. 1999 richtete man als dritten Schulversuch in einem anderen bildungspolitischen Kontext den Ausbildungszweig „Europäisches Gymnasium“ ein. Diese neue Perspektive entfaltete jedoch wenig Wirkung und wurde – wie an anderen Schulen auch – bald aufgegeben.

Eine von oben verordnete Zäsur bedeutete die Kollegstufe, die am Schyren-Gymnasium mit der Kurswahl  der 11. Klassen im Schuljahr 1975/76 eingeführt wurde. Die im „Kneifer“ geäußerte Befürchtung, die Auflösung der Klassenverbände im Kurssystem erhöhe die Anonymität in der Schule, bedinge die Isolation der Betroffenen und sei daher ein „psychologischer Fehler“, bewahrheitete sich nicht. Der Kollegstufenbetreuer stellte nach einiger Zeit fest, es hätten sich unter den Kollegiaten rasch neue Formen der Kommunikation – zum Beispiel Partys – gebildet, und die Studienfahrten könnten die unregelmäßigeren Kontakte ansatzweise kompensieren. Das Wahlangebot bedinge allerdings mehr Nachmittagsunterricht. Auf Grund des ständigen Hinarbeitens auf das Abitur, der hohen Zahl an Leistungserhebungen pro Woche und der Überbewertung der schriftlichen Leistungsnachweise sei zudem „der Arbeitsaufwand eines Kollegiaten größer […] als der eines bisherigen Oberstufenschülers“. Die geforderte größere Selbstständigkeit sei für manche Schüler ein Problem. Später wurde kritisiert, dass die Kurswahl weniger individuellen Begabungen und Interessen als vielmehr strategischen Überlegungen folge, nämlich der Aussicht auf möglichst viele Punkte.

Der „Kollegiat“ wurde fortan eine vor allem in Abiturzeitungen viel beschriebene Spezies, von der sich der heutige Schüler in der Qualifikationsphase des G8 nicht unterscheidet. Was zeichnet ihn aus? Ein starker Drang, dem Unterricht wegen Übelkeit und Kopfschmerzen fernzubleiben; eine beständige leichte Müdigkeit und ein eher geringer Bewegungsdrang; der Versuch, vermeintlich sinnlose Arbeit, zum Beispiel in Kursen ohne Einbringungsverpflichtung, zu vermeiden; der tägliche bürokratische Kampf mit dem Oberstufensekretariat; das Lernen fünf Minuten vor der Klausur; die extrem belastbaren Organe Leber und Magen und der Status als bedeutender Wirtschaftsfaktor für die heimische Gastronomie. Kreativität entfalten Oberstufenschüler, wenn sie anlässlich des bestandenen Abiturs scherzhaft den Schuleingang zumauern oder einen Marterpfahl errichten, an dem Lehrer gefoltert werden und der als Erinnerung an archaische Rituale jahrelang den Pausenhof ziert. Mit Teerung und Federung der Lehrer gibt der Abiturient auch dem Mittelalter in der gymnasialen Gegenwart noch eine Chance.

Die Entfaltung des  Schullebens zwischen „Mehr Demokratie wagen“ und „Numerus Clausus“ in den 70er und 80er Jahren

Trotz äußeren Widrigkeiten – Personalmangel, Raumnot und große Klassen, eine Kältewelle im Januar 1985, die die Heizungsanlage überforderte, ein Hochwasser mit erheblichem Sachschaden im Juli 1987 – entfaltete sich in den 70er und 80er Jahren mit viel Schwung ein Schulleben, das in der Breite seiner Lernangebote die Einbindung des Schyren-Gymnasiums in die demokratisch-pluralistische Gesellschaft der Bundesrepublik mitsamt ihrer europäischen und transatlantischen Perspektive widerspiegelte.

Über einen langen Zeitraum hinweg etablierte sich die Figurenspielgruppe „Die Spielbude“, die erstmals zur Weihnachtszeit 1970 mit dem „Bayerischen Weihnachtsspiel“ in Erscheinung trat, in den Folgejahren zahlreiche Preise auf Bundesebene gewann und bis zur Jahrtausendwende mehr als 50 Inszenierungen erarbeitete. Im Schuljahr 1980/81 feierte die Videogruppe, die unter anderem schulinterne Live-Sendungen aufzeichnete und in den Räumen des Schyren-Gymnasiums die Videotage Pfaffenhofen organisierte, ihr 5-jähriges Bestehen. Gleichzeitig blickte der „filmclub schyren-gymnasium pfaffenhofen“, dessen Mitglieder nicht nur eigenwillige Filme ansahen und darüber diskutierten, sondern auch mehrfach Veranstaltungen der Landesarbeitsgemeinschaft für Jugendfilmarbeit und Medienerziehung ausrichteten, auf sein 10jähriges Bestehen zurück.

Eine rege Tätigkeit im Pflicht- und Wahlunterricht entfaltete die Kunst. Über die stets sehr erwünschte Verschönerung des Schulhauses sowie Ausstellungen im öffentlichen Raum hinaus beteiligten sich zum Beispiel Unterstufenschüler im Jahr 1975 mit Sperrholzfiguren an der Gestaltung des Pfaffenhofener Maibaums. Mit der Metallplastik auf dem „Feldherrnhügel“ errichtete man sich Anfang der 90er Jahre ein eigenes Denkmal, das freilich nicht nur Bedenken aus ästhetischer Perspektive, sondern angesichts scharfer Kanten auch eine typisch deutsche Sicherheitsdiskussion hervorrief.

Zu den Fixpunkten im Schuljahresverlauf gehörten die musikalischen Ereignisse, insbesondere das Frühjahrs- und das Weihnachtskonzert sowie die Konzerte des Leistungskurses Musik. Das Gymnasium konnte auf ein erstaunlich großes Reservoir an begabten Schülern zurückgreifen, von denen nicht wenige erfolgreich an Wettbewerben wie „Jugend musiziert“ teilnahmen. In den 90er Jahren stellten dann die Aufführungen der Musicals „Joseph“ von Andrew Lloyd Webber und „Paar für Paar“ von Richard Rogers – letztere in der Niederscheyerer Sporthalle – in der Lokalpresse gefeierte neue Höhepunkte im Musikleben am Schyren-Gymnasium dar.

Die künstlerischen und musikalischen wurden durch die literarischen Aktivitäten ergänzt: durch die Darbietungen der Theaterspielgruppen, durch die zahlreichen Fahrten des 1977 gegründeten „Kreises der Theaterfreunde“ und durch die Dichterlesungen im Herbst, deren Reihe 1987 mit einem Auftritt von Martin Walser eröffnet wurde und zu denen man bis heute jedes Jahr einen renommierten deutschsprachigen Schriftsteller einladen konnte.

Anlässlich einer Aufführung des „Innsbrucker Osterspiels von 1391“ im Jahr 1977 lobte der „Ilmgau-Kurier“ die Schule: „Sie sind einem Auftrag gerecht geworden, der sicher neben dem Lernen auch zu einem Gymnasium gehört: mit zu den Kulturträgern einer Region zu gehören“. Tatsächlich ist das kulturelle Wirken im öffentlichen Raum schon in den 70er Jahren ein Kennzeichen des Schyren-Gymnasiums gewesen. Die Frage ist, ob es sich dabei bayernweit um ein Alleinstellungsmerkmal handelte. Vermutlich waren Gymnasien auf dem Land auch andernorts Zentren des kulturellen Lebens, während es im städtischen Bereich schwieriger war, sich gegenüber den zahlreichen Konkurrenzangeboten zu behaupten. Angesichts der Zunahme der Einwohnerzahl und des sich seit einigen Jahren erheblich ausweitenden kulturellen Angebots in Pfaffenhofen besitzt das Schyren-Gymnasium inzwischen nicht mehr den Mittelpunktcharakter, der es einmal ausgezeichnet hat, auch wenn es weiterhin nicht wenige öffentliche Schulveranstaltungen gibt und diese auch außerhalb der Schule auf Interesse stoßen.

Nach individuellen und punktuellen Begegnungen mit Schülern im Ausland wurde im Schuljahr 1980/81 der nach wie vor bestehende Schüleraustausch mit der Rogers High School in Michigan City etabliert – mit dem erklärten pädagogischen Ziel „eine[r] Erweiterung des Horizontes, eine[r] Festigung des Gemeinschaftsgefühles und damit eine[r] dringend notwendige[n] Stärkung des affektiven Bereichs“. Versuche der Einrichtung dauerhafter Kontakte zu Schulen in Italien und England scheiterten; Anfang der 90er Jahre begann jedoch der seitdem ununterbrochene Schüleraustausch mit Frankreich. Mit dieser „Internationalisierung“ trug die Schule – im Kontext des Kalten Kriegs und ebenso nach dessen Überwindung – in bescheidenem Rahmen zu Völkerverständigung und Frieden in Europa und der Welt bei.

Eine Voraussetzung für den Schwung der 70er und 80er Jahre war die Gemeinschaft, nicht zuletzt in Form der fächerübergreifenden Kooperation bei der Planung und Durchführung von Schulveranstaltungen. Sichtbar wird das in den Vorstellungen der „Spielbude“ und der Theatergruppen, deren Erfolge auch auf dem Zusammenwirken der musischen Fächer und der engagierten Unterstützung durch den handwerklich begabten Hausmeister beruhten. Ein Paradebeispiel für Gemeinschaftsarbeit war die von Lehrern, Schülern und Hausmeister getragene Aufführung des „Holledauer Schimmel“ von Alois Johannes Lippl 1984, die im Jahr 2000 eine Wiederholung erlebte. Die zahlreichen gemeinsamen Veranstaltungen des Kollegiums im Schuljahresverlauf deuten an, dass das Miteinander der Lehrkräfte außerhalb des rein Beruflichen damals enger und ihre Identifizierung mit der Schule stärker war als heutzutage unter veränderten Arbeits- und Lebensbedingungen.

In den 70er Jahren hatte die Schulgemeinschaft aber auch mit inneren Spannungen zu kämpfen. So wurde lange Zeit kontrovers über den schulfreien Samstag diskutiert. Die Lehrkräfte lehnten ihn mehrheitlich ab, weil sie fürchteten, dass ihren Schülern unter der Woche keine Zeit mehr für die Aktivitäten in Wahlkursen und Projekten bliebe, die zu einem Aushängeschild der Schule geworden waren. Zum Schuljahr 1977/78 wurde die fünftägige Schulwoche, von Schülern und Eltern gleichermaßen befürwortet, schließlich eingeführt. Im Vorfeld hatte das Kultusministerium die Wochenstundenzahl in der Mittelstufe auf 30 begrenzt und die Sorgen dadurch einigermaßen zerstreut.

Dauerhafte Konflikte ergaben sich aus der Tatsache, dass der in den 60er Jahren einsetzende, in der sozialliberalen Koalition seit 1969 auch politisch fassbare Wertewandel in der westlichen Welt – weg von der Anerkennung von Autoritäten, vom Ordnungs- und Leistungsdenken, hin zum Streben nach individueller Freiheit und Entfaltung – auch in der Schülerschaft des Schyren-Gymnasiums spürbar wurde. Das Thema „Demokratie in der Schule“ wurde zum Dauerbrenner bis in die 80er Jahre hinein. Sprachrohr der kritischen Jugend war die Schülerzeitung, in der Fragen wie „Demokratisches ASchO-Gesetz?“, „Wie autoritär ist die Schule?“, „Werden jetzt auch Schulbücher zensiert?“ oder Themen wie „schule & wir manipuliert Eltern in Bayern“ erörtert wurden. Stets kam man zum gleichen, in einer Ausgabe des „Kneifer“ 1982 zusammengefassten Ergebnis: „In unserem Schulsystem ist [das] Recht der Mitbestimmung und andere Grundrechte wie das der Meinungsfreiheit […] und Pressefreiheit gar nicht oder nur unvollständig verwirklicht.“ Das Demokratieproblem verband sich mit dem schulspezifischen Raumproblem: Der „Kneifer“ beschwerte sich darüber, dass den Redakteuren zu wenig Platz zum Arbeiten zur Verfügung stehe. Die Schülerzeitung als demokratisches Organ der Meinungsbildung der Schüler habe aber ein Recht auf gute Arbeitsbedingungen, für die das Direktorat sorgen müsse.

Es gab auch konstruktive Vorschläge, zum Beispiel 1974: „[Es] ist zu fordern: Größere Selbstständigkeit der Schulen gegenüber staatlicher Aufsicht und kollegiale Leitung der Schule. An Wahlen des Schulleiters – natürlich auf Zeit […] – müssen die Schüler und Eltern beteiligt sein. Wichtige Entscheidungen müssen von Vertretern der Schüler, Lehrer und Eltern gemeinsam gefällt werden“.

Mit der Schülerzeitung in bewegter Zeit ist einer der historischen Mythen des Schyren-Gymnasiums verbunden: Kurzzeitig erschien eine von einem „Redaktionskollektiv“ herausgegebene „linke, politische Schülerzeitung“ namens „Pfäffer“, die dem Historiker im Wesentlichen aus einer distanzierenden Stellungnahme im „Ilmfloh“ vom Dezember 1973 bekannt ist. Weitere Dokumente liegen bislang nicht vor, die Geschichte des „Pfäffer“ blieb Episode.

Ob die griesgrämige Kritik des ersten Schülersprechers am Schulneubau bei der feierlichen Eröffnung am 23. Oktober 1976 dem Bedürfnis entsprang, grundsätzlich gegen das Establishment zu sein, oder einer in der Schulgemeinschaft verbreiteten Meinung über das „Betonlabyrint an der Niederscheyerer Straße“ entsprach, sei dahingestellt. Moniert wurden zu dunkle und zu kleine Klassenzimmer, zu enge Gänge, schwere Schwingtüren, der fehlende Aufzug, „der unzentral gelegene Pausenverkaufsraum“. Aber: Die technische Ausstattung inklusive Sprachlabor wurde den damaligen Standards in hohem Maße gerecht und spiegelte die Modernität des Schyren-Gymnasiums wider. Der Landkreis, der seit 1983 neben dem Bauunterhalt auch den Sachaufwand finanzieren muss, hat die Schule stets gut betreut. Dass der Landrat in manchen Jahresberichten mit erkennbaren Sorgenfalten auf der Stirn darauf hinwies, wie teuer der Betrieb des Pfaffenhofener Gymnasiums sei, hat nicht unbedingt Mitleid erregt, denn jeder weiß: Bildung kostet Geld! Aktuelles Großprojekt ist die Sanierung der gesamten Schulanlage, deren erster Abschnitt bereits erfolgreich bewältigt worden ist.

Direktor Irlinger sah die Demokratiefrage einerseits gelassen. In der Abiturzeitung „Klimmzug“ urteilte er 1977: „Daß sich Schüler in einer Schule geknechtet vorkommen, daß sie glauben, nach der Schule warte erst die große Freiheit auf sie, nirgendwo sonst werde man so autoritär behandelt und nirgendwo sonst müsse man so viel schuften wie in der Schule, das wissen wir. Schüler und Abiturienten mögen es mir verzeihen, daß ich das nicht besonders ernst nehmen kann“. In den zeitgenössischen Jahresberichten ist andererseits spürbar, dass sich Schulleitung und Lehrkräfte oftmals über das normverletzende Auftreten von Schülern, über ihr äußeres Erscheinungsbild und nicht zuletzt über die strikte Ablehnung einer stilvollen offiziellen Abiturverleihung in Schuhen und Anzug ärgerten – 1978 fand die erste offizielle Entlassfeier in der Aula mit anschließendem Abiturball im „Bortenschlagersaal“ statt. Auch Verbote wurden ausgesprochen: Auf eine geplante Diskussionsveranstaltung zum Thema „Kriegsdienstverweigerung“ im Schuljahr 1973/74 musste beispielsweise verzichtet werden. Außerdem sah sich der Direktor gelegentlich zu schriftlichen Stellungnahmen gegen kritische Artikel im „Kneifer“ veranlasst.

Zum öffentlichen Eklat kam es, als dem Schyren-Gymnasium angesichts der politisch dezidierten Abiturzeitung von 1981, in der unter anderem der bayerische Ministerpräsident Franz-Josef Strauß in die Nähe von „Irren“ und „Nazis“ gerückt wurde, von konservativer Seite offiziell der Vorwurf gemacht wurde, eine „rote“ Schule mit fragwürdigen Erziehungsidealen zu sein, die ihre Schüler nicht im Griff habe. Der Konflikt, in dem sich die Gegner in Leserbriefen mangelndes Demokratieverständnis vorwarfen und die Frage im Raum stand, zu welcher Art von Staatsbürger ein Gymnasiast zu erziehen sei, belastete die Schulgemeinschaft und insbesondere ihre Leitung stark. In historischer Perspektive erscheint er weniger dramatisch. Direktor Irlinger hat ihn später in die Schulgeschichte eingeordnet, indem er darauf hinwies, es habe dem Ruf des Gymnasiums geschadet, „dass die Öffentlichkeit in Pfaffenhofen die damaligen gesellschaftlichen Wandlungen fast immer an Gymnasiasten zuerst beobachten musste“. Teile der gebildeten Jugend waren der radikale Ausdruck dieses gesellschaftlichen Wandels, der die Kritik an der vorherrschenden Bürgerlichkeit einschloss, und an Kritik und Wandel muss man sich erst einmal gewöhnen. Im Hintergrund des Konflikts stand vielleicht auch der sich nach dem Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan 1979 wieder verschärfende und die politischen Gemüter erregende Kalte Krieg; der NATO-Doppelbeschluss erschien am Horizont. Die groß angelegte Feier des 20-jährigen Schuljubiläums 1984 mag ein Versuch gewesen sein, das Schyren-Gymnasium der Bevölkerung in positiver Weise wieder nahezubringen. Jedenfalls stärkte die einmütige Verteidigung gegen die Vorwürfe die Schulgemeinschaft, die im Übrigen mit der Etablierung des USA-Austauschs zur selben Zeit ihre Verwurzelung in der westlich-kapitalistischen Wertewelt bewies.

Die große Mehrheit der Schüler beteiligte sich ohnehin nicht an den Grenzüberschreitungen der „kritischen Generation“. Sie war zwar niemals duckmäuserisch, für politische Betätigung in der Schule jedoch nicht zu gewinnen. Die SMV empfand das als frustrierend, hatte aber auch eine zu ihrer Weltdeutung passende Erklärung parat: „Dieser Mangel an Initiative und Eigenengagement“, so der Schülersprecher im Jahresbericht 1977/78, „ist sicherlich nicht nur auf den einzelnen Schüler zurückzuführen, sondern ist eher als das Ergebnis eines ständig anwachsenden Schulstresses und Leistungsdruckes in einem Schulsystem zu erachten, in dem Menschlichkeit und humanere Bildung eher als Stiefkinder behandelt werden.“ Wie dem auch sei: Die Diagnose relativiert die These von der allgemeinen Politisierung der Jugend in den 70er Jahren und lässt eine Diskrepanz zwischen der zeitgenössischen Innen- und Außenwahrnehmung der Schule erkennen. Vielleicht war die überwiegende Mehrheit der Schüler für eine Politisierung einfach zu jung.

Dem Zeitgeist der 70er und 80er Jahre wurde von manchen Lehrkräften mit besonderen Angeboten und Lerninhalten Rechnung getragen – Kennzeichen eines weltoffenen Gymnasiums. Es gab Wahlunterricht in den Fächern Philosophie, Psychologie oder Russisch, Kurse zu Themen wie „Politische Ideologien“ oder „Sowjetunion“, kritische Theaterstücke wie die im Schuljahr 1971/72 aufgeführte „Polizei“ von Slavomir Mrozek, einer Satire auf den totalitären Staat. Eine Aufgabe des Faches Musik – so heißt es in einem Jahresbericht – sei das Aufdecken „der von vielen Seiten erfolgenden Manipulation im Bereich der Musik“; der Religionsunterricht sah sich zur „Ideologiekritik der modernen Heilslehren“ verpflichtet.

Bis in die 80er Jahre hinein hing das Damoklesschwert des Numerus Clausus beim Studienzugang und der hohen Akademiker-Arbeitslosigkeit über den Schülern, nicht zuletzt eine Folge der qualitativen und quantitativen Bildungsexpansion. Nach Meinung der Abiturzeitung „Klimmzug“ von 1977 erzwang die düstere berufliche Perspektive, die auch von Lehrerseite wiederholt beklagt wurde, den „sehr, sehr fleißigen und strebsamen Schüler mit möglichst ´stromlinienförmiger´ Meinung“ und schuf einen Zustand „allgemeiner Einschüchterung“, ja sogar die Gefahr, „psychische Schäden zu nehmen“ – eine weitere Erklärung für den mangelnden revolutionären Elan in der Schülerschaft.

Abseits von Demokratiebewusstsein und Systemkritik hat sich die Perspektive der Schüler auf den Schulalltag in 50 Jahren kaum gewandelt. Im „Ilmfloh“ wird bereits 1968 mit Blick auf die Jahrtausendwende die zum Glück immer noch nicht realisierte Utopie formuliert: „Das Lehrerkollegium wird zum Schulanfang von uns neu programmiert“. Dem Wunsch nach dem perfekten Lehrer – entspannter Entertainer und mitfühlender Seelsorger zugleich – entsprechen Klagen über einen Unterricht, der zur sachfremden Nebenbeschäftigung zwingt, über Leistungsdruck und den gleichförmigen „grauen“ Schulalltag in einem wenig anheimelnden Gebäude. Der Morgenwecker mutiert – so in einem Artikel des „Hinterbänkler“ von 2009 – zum Monstrum, der Gong am Stundenende bedeutet Erlösung. Die Größeren beschweren sich über die angeblich ständig wachsende Zahl an Fünftklässlern, die zudem immer unverschämter auftreten – die noch heute durchgeführte Nikolaus-Aktion wurde erfunden, „um in den 5. und 6. Klassen für Ordnung zu sorgen“. Die Busbeförderung – Überfüllung, Verspätungen, Lebensgefahr vor der Schule – ist ein ständiges Ärgernis und auch einmal, wie im Februar 1978, für einen Streik gut. Umgekehrt bieten Fahrten und Exkursionen die Möglichkeit, ein wenig über die Stränge zu schlagen. Gesprächsstoff liefern Parties wie der Unterstufenfasching oder das Herbstfest sowie besondere Aktionen wie die SMV-Projekttage. Das Verhältnis zu den Lehrern ist bei aller Nörgelei gut und von Vertrauen geprägt, sonst würde man sich nicht über ihre Teilnahme an Schülerveranstaltungen freuen, in zahlreichen Interviews nicht ständig mehr über ihr Privatleben und ihre Weltsicht wissen wollen und auch nicht jedes einigermaßen witzige Lehrerzitat in der Schülerzeitung abdrucken.

Eine Konstante ist auch die Frustration der SMV angesichts des fehlenden Engagements der weitaus meisten Schüler für die Gestaltung des Schullebens. Im Vorfeld des geplanten „Aktionstags schöne Schule“ 1993 beschrieb ein Schülersprecher diesen Sachverhalt mit drastischen Worten: „Die größten Schwierigkeiten bereiten uns hierfür mit Sicherheit weder das Direktorat noch die Lehrkräfte, im Gegenteil, Angst haben wir vor unseren Schülern. Sie erscheinen uns nur allzu oft als phantasielose Unterrichtskonsumenten, denen ein ehrenamtlicher Gedankengang oder Handgriff als einer der furchtbarsten Frevel in ihrer Egoisten-Ellenbogen-Mentalität erscheint“. Die Klagen über die Trägheit der Masse sind in der Gegenwart nicht mehr ganz so laut, ebenso wie die SMV sich nicht mehr als Speerspitze einer innerschulischen Demokratiebewegung versteht. Von Politisierung unter den Schülern kann in unserer satten Wohlstandsgesellschaft kaum mehr die Rede sein. Den Schülersprechern ist aber der Schwung, mit dem sie in fünf Jahrzehnten das Schulleben am Schyren-Gymnasium perspektivenreich mitgestaltet haben, hoch anzurechnen.

Im Jahresbericht 1984/85 stellte der Schulleiter positive Entwicklungen in der Schülerschaft fest: „Nach meinen Beobachtungen sind Resignation und Desinteresse auf der einen und Aggression und Negation auf der anderen Seite geringer geworden“. Tatsächlich war die Fundamentalkritik am „undemokratischen“  Schulsystem allmählich einem verstärkten Interesse an den Forderungen der „Neuen Sozialen Bewegungen“ gewichen, die – ihrerseits auch Erben der 68er Bewegung – seit dem Ende der 70er Jahre in der Bundesrepublik an Einfluss gewannen und in der Partei der „Grünen“ eine feste politische Struktur fanden. Das gilt vor allem für die Umweltproblematik: 1987 konstituierte sich ein Arbeitskreis „Umwelt“, der versuchte, Umweltschutz an der Schule durchzusetzen und zu praktizieren. So wurden Alu-, Glas- und Batterien-Tonnen im Pausenverkaufsraum aufgestellt und die Schulleitung zur Verwendung von Umweltschutzpapier für Schulaufgaben angeregt. Mit wechselnder Begeisterung wurde – als „ökologische und ästhetische Bereicherung des Schulgeländes“ – ein Schulgarten gepflegt, in dem zeitweise auch seltene Pflanzen wuchsen, und Anfang der 90er Jahre wurde erstmals ein Wahlkurs „Geoökologie und Umweltschutz“ angeboten, in dem es um Themen wie „Ozonproblem“ und „Treibhauseffekt“ ging. Zudem stellte man – wie überall in Bayern – die Schulskikurse in Frage. Gegen den Widerstand eines Teils der Schüler setzte sich in dieser Sache jedoch die befürwortende Position der Mehrheit des Elternbeirats und der Sportlehrer durch. Der Skikurs sei eine wichtige sportliche Fördermaßnahme und könne „durch pädagogische Fachbetreuung“ auch umweltfreundlich gestaltet werden. Die Frage „Skikurs – ja oder nein?“ avancierte rasch zum Topthema für dialektische Erörterungsaufsätze im Deutschunterricht der Mittelstufe. Langfristig gehört auch die Gründung des regen Arbeitskreises „Mandacaru“ im Jahr 2000 noch in den Zusammenhang der „Neuen Sozialen Bewegungen“ und ihrer Forderung nach mehr entwicklungspolitischem Engagement. Schon in einer Ausgabe von 1979 hatte sich der „Kneifer“ mit der alternativen Szene auseinandergesetzt, 1982 die SMV im Geiste der Friedens- und Menschenrechtsbewegung zu einer Spendenaktion für die notleidende Bevölkerung in Polen aufgerufen. Später gab es „Friedensaktionen“ anlässlich des Irak-Kriegs.

Die Folgen der deutschen Wiedervereinigung und schulische Weichenstellungen in den 90er Jahren

Die deutsche Wiedervereinigung 1989/90 – ein Jahr nach der ersten und damit gleich wieder obsoleten Studienfahrt von Schülern des Schyren-Gymnasiums in die DDR – stellt in der Schulgeschichte Westdeutschlands keinen Umbruch dar, denn dessen Bildungssystem wurde in den neuen Ländern weitgehend übernommen. Am Schyren-Gymnasium riefen die revolutionären Ereignisse insoweit eine neue Politisierung hervor, als für einige Zeit ein deutlich erhöhtes Interesse an gesellschaftspolitischen Fragen und insbesondere an Begegnungen mit Ostdeutschland und Osteuropa erkennbar ist. So etablierte sich über einige Jahre hinweg ein Kontakt zur „Polytechnischen Oberschule Ruhla“ in Gotha, die sich später den Namen „Gustav-Freytag-Gymnasium“ gab und sich wohl nicht zuletzt deshalb an das Schyren-Gymnasium gewandt hatte, weil ein großer Informationsbedarf hinsichtlich der Schulverhältnisse im Westen bestand. Im Bildungsangebot des Schyren-Gymnasiums finden sich außerdem schon im Schuljahr 1989/90 eine Theaterfahrt nach Weimar, ein Wahlkurs „Politik und Zeitgeschichte“ und ein Vortrag zum Thema „Vernunft und Ordnung – Der Westen und Deutschland 1789-1989“. Im Schuljahr darauf wurde der DDR-Jugendbuchautor Hannes Hüttner zu einer Lesung eingeladen, der Studientag der Kollegstufe befasste sich mit der friedlichen Revolution in der DDR, der im September 1992 eine Gruppe von Lehrkräften einen Besuch abstattete. Zahlreiche Veranstaltungen mit gesellschaftspolitischen Themen sowie Lesungen von DDR-Autoren folgten. Der Jahresbericht 1992/93 enthielt einen – nicht unumstrittenen – politischen Bildteil; Direktor Irlinger konstatierte: „Die Institution Schule sollte sich auch mit aktuellen Ereignissen befassen.“ Schließlich gehören der Schüleraustausch mit einer Schule in Tschechien Mitte der 90er Jahre und derjenige mit Polen ein Jahrzehnt später, bei denen Aussöhnung und Völkerverständigung gegenüber dem fremdsprachlichen Aspekt einen besonders hohen Stellenwert besaßen, in den Zusammenhang der „Osterweiterung“ des Schyren-Gymnasiums nach der Wiedervereinigung.

Weitere Ereignisse machen deutlich, dass sich die Institution Schule nicht nur gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen, sondern auch punktuellen politischen Ereignissen nicht entziehen kann. So sagte zum Beispiel das französische Kultusministerium den Frankreich-Austausch im Schuljahr 1990/91 wegen des Golfkriegs ab, aus demselben Grund entfiel das Faschingsfest. Und 2009 konnte der Schüleraustausch mit der Shoham High School in Israel, dessen Durchführung wegen der Sicherheitslage im Nahen Osten ohnehin stets fraglich war, wegen der israelisch-palästinensischen Spannungen nicht stattfinden.

In den 90er Jahren erlebte das Schyren-Gymnasium einen markanten Aufschwung der naturwissenschaftlichen Bildung, nachdem 1992 eine Arbeitsgemeinschaft „Jugend forscht“ ins Leben gerufen worden war. Unter der Überschrift „Boom in der Provinz“ würdigte die Zeitschrift „Stern“ 1995 die großen Erfolge in Wettbewerben wie „Schüler experimentieren“ und „Jugend forscht“, bei denen die Schule zeitweise deutschlandweit die meisten Teilnehmer stellte und viele Preise gewann, in einem eigenen Artikel. Großer Popularität unter den Schülern der Unterstufe erfreute sich der Wahlkurs „Tüftlerecke“, es wurden schulinterne Erfinderwettbewerbe durchgeführt, 1996 gewann das Schyren-Gymnasium, schon bald als „Erfinderschmiede“ bekannt, den Bayerischen Umweltpreis, zwei Schülerarbeiten wurden als Patente angemeldet. Im Jahre 1998 erhielt das Schyren-Gymnasium außerdem eine Auszeichnung als beste Schule Bayerns im Landeswettbewerb Mathematik. Den Verantwortlichen wurde angesichts der ständigen Erfolge angst und bange: „Für die kommenden Jahre dürfen wir […] den (olympischen) Grundsatz nicht vergessen: Teilnehmen ist wichtiger als Siegen“, hieß es im Jahresbericht 1994/95. Offensichtlich hatte sich mit der dezidierten Handlungs- und Erlebnisorientierung eine Perspektive aufgetan, die Schüler für die Naturwissenschaften zu begeistern. Höhepunkt der Entwicklung war das Jahr 1999 mit der Einrichtung einer Sternwarte auf dem Dach des Schulgebäudes, die ausschließlich mit Sponsorengeldern finanziert wurde. Sie trug der Tatsache Rechnung, dass die Astronomie schon seit Jahren im Wahlunterricht und im Kursangebot der Kollegstufe fest verankert war, erscheint im Rückblick aber auch als logische Konsequenz des naturwissenschaftlichen „Ausnahmezustands“ in den Jahren zuvor. Über die Jahrzehnte haben manche Sponsoren, vor allem aus dem Pfaffenhofener Raum, das Schyren-Gymnasium nachhaltig unterstützt und dadurch Vieles möglich gemacht – auch das ein Aspekt der festen Einbindung dieser Schule in ihr gesellschaftliches Umfeld.

Ein Schlaglicht auf das Verhältnis Mädchen – Technik und zugleich auf das unermüdliche pädagogische Bemühen der Lehrkräfte wirft ein Erfinderwettbewerb, bei dem es um den Bau einer Rakete ging: Es meldeten sich 22 Jungenteams und ein Mädchenteam. Während die Jungen die Preise für die am weitesten fliegende Rakete und für die Rakete, die sich am längsten in der Luft hielt, einheimsten, verlieh man den erfolglosen Mädchen nach einiger Überlegung einen Sonderpreis: den für das schönste Flugobjekt.

Das zentrale schulgeschichtliche Ereignis der 90er Jahre war die Gründung des Gymnasiums Wolnzach, das nach einer für Schulleitung und Kollegium anstrengenden zweijährigen Phase der Betreuung durch das Schyren-Gymnasium als dessen Außenstelle zum Schuljahr 1994/95 den eigenständigen Betrieb aufnahm. Der Entscheidung, mit der das am Schyren-Gymnasium stets virulente Raumproblem weitgehend gelöst wurde, war nach Vorüberlegungen seit ca. 1983 eine lange und heftige, immer wieder von Protestaktionen begleitete Standortdiskussion vorausgegangen – die Presseartikel zum Thema füllen einen ganzen Aktenordner! Man war sich darin einig, dass das Schyren-Gymnasium drohte, den Charakter einer „Mammutschule“ anzunehmen, in der die pädagogische Arbeit erschwert wurde und Probleme wie die ständige Raumnot, Hektik, überfüllte Busse und eine prekäre Verkehrssituation allen Betroffenen die Freude an der Schule verleideten. Während jedoch die einen – unter anderem mit Verweis auf den starken Zuzug in den südlichen Landkreis – die Errichtung eines zweiten Gymnasiums in Pfaffenhofen befürworteten, präferierten die anderen Standorte im nördlichen Landkreis; neben Wolnzach spielten Geisenfeld und Manching eine Rolle. Schon bald wurde die Schulfrage im engeren Sinne, bei der es um Übertrittsquoten, Möglichkeiten der Schülerbeförderung oder allgemeine Folgen für die Region ging, durch Aspekte mit emotionaler Färbung überlagert. Da wurde etwa von den Gegnern einer Pfaffenhofener Lösung sinngemäß gefragt, ob denn die Stadt unbedingt einziger Vorort und Mittelpunkt des Landkreises sein müsse, bzw. ob man meine, die Kinder im Norden seien denen im Süden intellektuell unterlegen und benötigten daher kein Gymnasium. Als schwierig erwiesen sich Aussagen bezüglich der jeweils zu erwartenden Schülerströme. Die Diskussion um das zweite Gymnasium im Landkreis Pfaffenhofen macht deutlich, dass die Neugründung einer Schule ein besonders heikles bildungspolitisches Vorhaben ist. Es handelte sich um die zweite große öffentliche Auseinandersetzung mit Bezug zum Schyren-Gymnasium nach dem Konflikt um dessen politische Ausrichtung Anfang der 80er Jahre.

In den Zusammenhang der Naturwissenschaften gehört die Tatsache, dass das Schyren-Gymnasium die Perspektiven, die die rasante informationstechnische Entwicklung bot, früher als andernorts erkannte und diesbezüglich Pionierarbeit geleistet hat – ebenso wie die Beteiligung an Schulversuchen ein Zeichen seiner Modernität. Im Jahre 1971 wurde der erste Computer angeschafft, und fortan gab es ein kontinuierliches Angebot an Wahlkursen in Informatik, auch in der Kollegstufe und im Hinblick auf die Abiturprüfungen. Im Schuljahr 1972/73 war der Computer laut Jahresbericht „insgesamt mehr als 200 Stunden in Betrieb, so daß auf fast jeden Schultag eine Stunde Arbeit an diesem Gerät entfiel“. Zwei Jahre später heißt es: „[Es] geschah […] erstmals, daß der Schul-Computer, als er über einige Zeit hinweg Tag und Nacht in Betrieb war, um die im Informatik-Unterricht programmierten mathematischen Probleme zu lösen, ´heißlief´ und auf der Strecke blieb“. Seit den 80er Jahren wurde die Schule zunehmend auf EDV-Basis verwaltet, zunächst überwiegend mit selbst geschriebener Software. Im Schuljahr 1981/82 wurde zum ersten Mal das Kursprogramm für die K12 mit Hilfe des Computers erstellt, im Schuljahr 1983/84 folgten der Jahresbericht und die Abiturzeugnisse. Unter dem Motto „Schyren-Gymnasium ans Netz“ ging man im Januar 1998 über das „Bürgernetz Pfaffenhofen“ online und präsentierte die erste Schul-Website. Bis heute ist die schwungvolle Entwicklung nicht abgeschlossen, ständig eröffnen sich neue Möglichkeiten zur Verbesserung der Verwaltungs- und Öffentlichkeitsarbeit mit Hilfe der modernen Informationstechnologien. Dem digitalen Vertretungsplan begegnete ein Teil der Schüler anfangs mit einer Unterschriftenaktion zu Gunsten des herkömmlichen Papieraushangs, also mit einer erstaunlich konservativen Skepsis, die eine vorwärtsdrängende Schulleitung in der Schülerschaft freilich immer wieder einmal feststellen muss.

Im Zuge der Implementierung der „Informationstechnischen Grundbildung“ Ende der 80er Jahre wurden Lerninhalte der Informatik ein fester Bestandteil des Unterrichts. Seither ist viel Geld in den Ausbau von Computerräumen, in die EDV-Ausstattung von Klassenzimmern und in die Anschaffung von Software investiert worden. Auf die Schüler, die ihren Lehrern im Umgang mit dem Computer anfangs nicht selten überlegen waren, übten die modernen Medien – nicht unbedingt zu Unterrichtszwecken – schon immer einen großen Reiz aus. Freute sich der Bibliothekar Anfang der 70er Jahre noch über die Popularität der nun vollständigen Karl-May-Serie bei den Schülern der Unter- und Mittelstufe, so klagte er später zunehmend über die Zurückdrängung des Buches durch Videos und Computerspiele, auf die sich auch die Schul- und Kreisbibliothek einstellen musste.

„PISA-Schock“ und Entfaltung der „inneren Schulentwicklung“ seit der Jahrtausendwende

Die Jahrtausendwende erlebte zunächst eine „Krise der alten Sprachen“ am Schyren-Gymnasium: Ungeachtet diverser Werbemaßnahmen fand der humanistische Zweig sein Ende. Die Schule ordnete sich damit eher spät in einen allgemeinen Bildungstrend ein und verlor ein weiteres Element ihrer Verbundenheit mit dem ehemaligen Benediktinergymnasium in Scheyern. Das letzte Abitur im Leistungskurs Griechisch fand 2000 statt. Im Jahresbericht grübelte der Fachbetreuer: „Wird es irgendwann einmal Latein ebenso ergehen? Eine grauenhafte Vision, die ich sofort beiseite schiebe. Dazu ist Latein doch zu wichtig.“ Tatsächlich hatte das Lateinische seinen Status als mögliche erste Fremdsprache am Schyren-Gymnasium inzwischen verloren – als zweite Fremdsprache genießt es bis heute Popularität. Im Hinblick auf die weitere Loslösung des Schyren-Gymnasiums von Scheyern haben zwei Aufführungen von Carl Orffs „Carmina Burana“ historischen Symbolgehalt: Die erste fand 1994 noch im altehrwürdigen Kloster, die zweite 2010 im modernen Betonambiente des Busbahnhofs vor dem Schulgebäude statt.

Seit der Jahrtausendwende stehen Lehren und Lernen in Deutschland im Zeichen der „inneren Schulentwicklung“, die allen Schulen nicht zuletzt in Folge des „PISA-Schocks“ von den Kultusministerien verordnet wurde und rasch zum Allheilmittel der Defizite avanciert ist, die man im Hinblick auf Wissen und Können der sozial heterogenen Schülerschaft diagnostiziert. Es geht darum, der Einzelschule mehr Eigenverantwortung zuzugestehen, weil sie selbst am besten einzuschätzen weiß, ,,wie sie ihre Aufgaben wahrnehmen und die Möglichkeiten, die das schulische Umfeld bietet, einbeziehen kann“ (Avenarius/Füssel 2008). Schule soll verstärkt als Ort der Wissensvermittlung und zugleich als Lebensraum gestaltet, die Unterrichtsqualität in vielfacher Hinsicht gesteigert werden; dazu gehört die Öffnung der Schule nach außen.

Angeregt durch Veranstaltungen wie den Augsburger Kongress „Schulinnovation 2000 – Schulen auf dem Weg“ machte es sich das Schyren-Gymnasium unter der Leitung von Direktor Hans-Günter Gessler zur Aufgabe, „innere Schulentwicklung“ zu betreiben – eine neue Perspektive hatte sich aufgetan! Eine Maßnahme war die Einrichtung einer „Zukunftswerkstatt“, die nachfolgend ein breites Spektrum an Ideen entwickelte und schwungvoll umsetzte: Skikurse als „Wintersporterlebniswochen“, das Konzept „Bewegte Schule“, das Betriebspraktikum in den 9. Klassen, ein „Schul-ABC“ für neue Schüler, das Nachhilfeprogramm „Schüler helfen Schülern“, die Schulzeitschrift „Schyren-Info“. Zudem wurde die interne Evaluation eingeführt, das heißt im Sinne der „inneren Schulentwicklung“ der „Output“ des pädagogischen Wirkens überprüft und zur Basis für weitere Verbesserungen gemacht. Im Rahmen Pädagogischer Tage beschäftigten sich die Lehrkräfte mit Themen wie „neue Unterrichtsformen“ und „Multimedia“. In die Jahresberichte wurde ein eigenes Kapitel „Schulentwicklung“ aufgenommen.

Einen festen Platz im Schulleben erhielt – nach Einzelaktionen in der Vergangenheit – die Suchtprävention, auch in Folge einer Untersuchung der Universität Bielefeld, die im Schuljahr 1998/99 erschreckende Zahlen über das Suchtverhalten der Schüler am Schyren-Gymnasium geliefert hatte. Der Elternbeirat konstatierte: „Die jüngste Umfrage zur Drogensituation zeigt, dass auch unsere Schule keine ´Heile-Welt-Insel´ ist. Das hat uns, gemeinsam mit Lehrern und Fachleuten, zu denken (und zu handeln) gegeben“. Seither finden, vor allem organisiert vom Arbeitskreis „Let Stuff Die“, alljährlich Aktionen im Sinne der Gesundheitserziehung statt, etwa das Projekt „Be smart don´t start“ oder der „Projekttag Disco-Unfälle“. Hinzu kamen im Laufe der Zeit Theateraufführungen, Ausstellungen und Expertenvorträge, die wiederum ergänzt wurden durch einzelne Maßnahmen wie die Einrichtung einer versteckten Raucherecke für Schüler der Kollegstufe zur Vermeidung von Nachahmung im Jahre 2001 oder „alkoholfreie“ Schulfeste. Seit November 2006 gilt ein allgemeines Rauchverbot an den Schulen in Bayern. Dass die Arbeit gegen die Sucht oftmals ernüchternd war, geht aus einer Äußerung des betreuenden Lehrers im Jahresbericht 2002/03 hervor: „Wenn ich meinem gefühlsmäßigen Eindruck folge, sind irgendwelche positiven Ergebnisse der Präventionsbemühungen nicht erkennbar. Besonders die Mädchen scheinen auf die Glimmstengel abzufahren. Immer wieder eindrucksvoll ist die fast totale Unzugänglichkeit der ´Großen´ in der 12. und 13. Jahrgangsstufe für vernünftige Argumente.“

Bereits auf dem Regionalkongress Oberbayern im November 2001 in Ingolstadt konnte das Schyren-Gymnasium erste Ergebnisse seiner Entwicklungsarbeit sowie zukünftige Vorhaben vorstellen. Ein Höhepunkt war die Ausrichtung des „Schulentwicklungstags Oberbayern-West“ gemeinsam mit der Georg-Hipp-Realschule im Mai 2006 mit über 50 Workshops: Das Schyren-Gymnasium öffnete sich gemeinschaftlich nach außen und präsentierte sich nicht zum ersten Mal als moderne Schule, die früh auf aktuelle bildungspolitische Erfordernisse reagiert hatte.

Aus historischer Perspektive ist zu fragen, inwiefern die „innere Schulentwicklung“ wirklich Neues brachte. Im Bereich des sozialen Lernens wurden beispielsweise Projekte wie „Zeit für uns“, die „Konfliktmanager“ oder der Schüler-Ordnungsdienst ins Leben gerufen, letzterer eine pädagogisch verbrämte Form moderner Kinderarbeit. Das war neu, doch man konnte auf Einrichtungen wie das schon seit 1974 bestehende Tutorensystem für die Betreuung von Schülern der Unterstufe zurückgreifen. Die erste „Schulhaus-Rallye“ für Fünft- und Sechstklässler wurde im Schuljahr 1994/95 durchgeführt. Schon seit 1980 gab es, zunächst für die 7. Klassen, einwöchige Schullandheim-Aufenthalte. Die „Orientierungstage“, seit 2006/07 eine reguläre Schulveranstaltung für die 10. Klassen, beruhten auf wiederholten Angeboten in den Jahrzehnten zuvor. Und spätestens seit Mitte der 90er Jahre hatte man Maßnahmen ergriffen, um der von den Verbindungslehrern diagnostizierten Tendenz unter Schülern entgegenzuwirken, „andere zu Opfern zu machen, sich auf deren Kosten zu amüsieren.“ Die Frage: „Wo lernen Jugendliche heute den rücksichtsvollen Umgang mit sich und anderen?“ war schon damals gestellt worden.

Im Hinblick auf die Förderung der Lernkompetenz der Schüler gab es am Schyren-Gymna­sium seit längerem Kurse zum Thema „Lernen lernen“, und im Sinne einer frühzeitigen beruflichen Orientierung wurden über die individuelle Beratung hinaus bereits 1994 der erste große Studien- und Informationsabend, im Schuljahr 1998/99 das erste Assessment-Center für die K12 durchgeführt. Hier zeigt sich auch, dass die im Rahmen der „inneren Schulentwicklung“ geforderte Öffnung der Schulen nach außen in Form der Kooperation mit externen Experten zu Gunsten einer nachhaltigen Erziehungsarbeit bereits in den 90er Jahren umfassend praktiziert wurde. Damit stand man nicht allein, sondern folgte – mit besonders großem Schwung – einem bundesweiten Bildungstrend.

Die Öffnung nach außen in Gestalt des Wirkens über die Schule hinaus war ohnehin immer schon ein Markenzeichen des Schyren-Gymnasiums gewesen. Die Jahresberichte der 90er Jahre lassen ein weitere Zunahme der diesbezüglichen Aktivitäten erkennen: Auftritte von Chor und Bigband sowie Kunstausstellungen nicht nur in Pfaffenhofen, erfolgreiche Beteiligung an landes- und bundesweiten und auch internationalen Schülerwettbewerben in Musik und Kunst sowie im Rahmen des naturwissenschaftlichen, des Geschichts-, Geografie- und Wirtschaftsunterrichts, Teilnahme an Sportwettkämpfen und am Schüleraustausch, viele außerschulische Begegnungen. Um die Dinge auf die Spitze zu treiben, arbeitete man sogar mit der vorgesetzten Dienstbehörde zusammen: Im Jahr 1995 entwarfen Schüler des Schyren-Gymnasiums das Titelbild für die Märzausgabe der Zeitschrift „Schulreport“ des Kultusministeriums. Nach der Jahrtausendwende erreichte die Öffnung nach außen allerdings neue Dimensionen. So nahmen nach musikalischen Stationen in Städten wie Barcelona oder Prag Mitglieder des Schulchors 2006 an den „World Choir Games“ in Xiamen in China teil. Spätestens jetzt hatte die Globalisierung das Schyren-Gymnasium erreicht. Und man bestand den globalen Härtetest: Der Chor gewann die Silbermedaille.

Die Voraussetzungen für das erfolgreiche Einschwenken auf die „innere Schulentwicklung“ waren am Schyren-Gymnasium also bereits Jahre zuvor gelegt worden. Bedeutete die Erfüllung der Forderung, sich „auf den Weg zu machen“, für manche Schulen in Bayern einen Einschnitt, einen historischen Bruch, so konnte man für das Schyren-Gymnasium allenfalls von einem neuen Aufbruch sprechen. Vor allem wurde Vorhandenes nun intensiviert, konzeptualisiert und differenziert. Der Personalrat bemerkte bald den „größere[n] Einsatz der Kollegen für allgemeine pädagogische Aktivitäten“. Der Elternbeirat, der dazu überging, Schwerpunkthemen für jedes Schuljahr zu bilden – zum Beispiel „Umgang mit Medien / Werteerziehung“ oder „Alkohol- und Drogenprävention“ – und entsprechende Veranstaltungen organisierte, wandte sich angesichts der Vielzahl an außerunterrichtlichen Projekten bei der Bezuschussung vom Gießkannenprinzip ab: „Wer mehr pädagogisch wertvolle Aktionen anbietet, wird stärker gefördert“.

Ein dauerhafter Effekt der „inneren Schulentwicklung“ war das engere und bewusstere Miteinander der Schulgemeinschaft, denn alle – Lehrkräfte, Schüler und Eltern – waren aufgefordert, sich an ihrer Umsetzung zu beteiligen. Die Beratungslehrerin urteilte: „Selbst wenn einzelne Projekte bisher nicht zu realisieren waren, so wuchs doch in gemeinsamen Gesprächen das Verständnis füreinander. Alle in der Zukunftswerkstatt Aktiven haben einen besseren Einblick gewonnen, wie Schule funktioniert, und viel gelernt im Hinblick auf Chancen und Grenzen von Verbesserungen.“ Der Elternbeirat, der im Schuljahr 1998/99 durch den Förderkreis ergänzt wurde, hat sich freilich seit der Gründung des Schyren-Gymnasiums über die Beschäftigung mit Dauerthemen wie „Busbeförderung“, „Unterrichtsausfall“ oder „Leistungserhebungen“ hinaus schwungvoll an der Gestaltung des Schullebens beteiligt, mit der Elternspende bei der Finanzierung vieler Aktivitäten geholfen und in individuellen Notlagen unterstützend eingegriffen. Seine Arbeit in der Schulgemeinschaft ist stets ein stabilisierender, korrigierender und neue Perspektiven eröffnender Faktor gewesen.

Kritisch anzumerken ist, dass im Rahmen der „inneren Schulentwicklung“ bei aller positiven Bewegung die Grenze zur Bewegung um ihrer selbst willen nicht immer klar zu ziehen war. Zudem stellte sich bald die Frage neu, ob die Schule als Erziehungsanstalt, Therapiezentrum und Eventagentur sämtliche Versäumnisse der modernen Gesellschaft im Hinblick auf die Sozialisierung ihrer Jugend zu kompensieren hat. Schulleiter Gessler warnte im Jahresbericht 2006/07 zu Recht: „Bei der Aufzählung der zahlreichen Aktionen, Veranstaltungen und pädagogischen Maßnahmen darf nicht vergessen werden, dass der Unterricht absolut im Mittelpunkt steht.“ Das Schuljahr war zudem geprägt von einer höchst angespannten Personalsituation, welche die Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit, die Grenzen des Machbaren im Schulalltag vor Augen führte.

Die bayerische Kultusbehörde war in mancherlei Hinsicht keine echte Hilfe: Die Proklamation der Eigenverantwortung der Schulen ging einher mit einer fast täglich wachsenden Menge an Verlautbarungen, Verordnungen, Empfehlungen und Datenerhebungen. Sie setzen die Schulleitungen inzwischen unter ständigen Handlungsdruck und Rechtfertigungszwang und lassen vermuten, dass eigenverantwortliches Handeln als unheimlich, weil unkontrollierbar empfunden wird – eine schreckliche Vorstellung für deutsche Beamte. Direktor Gessler bemerkte 2006: „Man würde sich bei all den Neuerungen, Innovationen und den zunehmenden Aufgaben manchmal etwas mehr Ruhe wünschen, die für unsere Kernaufgaben, den Unterricht und unser pädagogisches Handeln, sicher förderlich wäre.“ Aber schon sein Vorgänger hatte in der Abiturzeitung 1977 festgestellt, der Schulleiter könne kein pädagogischer Visionär mehr sein, sondern er sei „ein Organisator geworden mit einem vollgeschriebenen Terminkalender.“ Schule und Kultusbürokratie – ein zuweilen deprimierendes Kapitel der Bildungsgeschichte!

 G8 und die Folgen

Der Prozess der „inneren Schulentwicklung“ spielte sich seit dem Schuljahr 2004/05 zunehmend im Rahmen des G8 ab, das zunächst in den Jahrgangsstufen 5 und 6 eingeführt wurde – die bedeutendste schulgeschichtliche Zäsur in Bayern nach der Einführung der Kollegstufe und ein nachhaltiger Perspektivenwechsel. Die Ankündigung traf auch das Schyren-Gymnasium wie ein „Paukenschlag“, nach langer Zeit kam es wieder einmal zu öffentlichem Protest, der nun nicht von einzelnen getragen wurde, sondern von der gesamten Schulgemeinschaft. Die Verkürzung der Schulzeit wurde nicht grundsätzlich verdammt, ihre plötzliche und hektische Realisierung jedoch als Bruch eines politischen Versprechens und als unüberlegte Kurzschlusshandlung, auch als Kniefall vor der freien Wirtschaft gewertet. Die Schülersprecher aus der K12 freuten sich, „dass wir schon im nächsten Jahr Abitur machen dürfen“. Den Ärger konnte auch das Storchenpaar nicht besänftigen, das sich 2004 auf dem stillgelegten Kamin des Schulgebäudes niederließ; es passte vielmehr ins düstere Bild, dass die beiden Jungen verendeten.

In der Folgezeit wurden die mit dem G8 notwendig gewordenen Maßnahmen implementiert. Sie betrafen die Erarbeitung eines Pädagogischen Konzepts für die Unterstufe, die Einrichtung von Förderkursen an der Schnittstelle zwischen G8 und G9 – das Durchfallen wurde hier zum Problem –, ferner Umbaumaßnahmen im Schulhaus – eine Küche für die Mittagsverpflegung, ein Unterrichtsraum für das Fach Natur und Technik – sowie Lehrerfortbildungen zu den Seminaren in der Oberstufe. Der Pausenverkaufsraum wurde in Gemeinschaftsarbeit von Landratsamt, Fachschaft Kunst, Hausmeister, Eltern und Schülern umgestaltet. Im November 2007 wurde der Erweiterungsbau eingeweiht, in dem bald darauf die Caritas gemeinsam mit Tutoren des Gymnasiums ihre Tätigkeit im Rahmen der Offenen Ganztagsschule aufnahm. Die Schule tat damit einen weiteren Schritt hin zur umfassenden Erziehungs- und Betreuungsanstalt – eine Reaktion auf gesellschaftliche Forderungen, denen man sich nicht entziehen konnte, die im ländlichen Pfaffenhofener Raum jedoch weniger laut erhoben wurden als in den Städten. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten.

Für den Historiker wird es jetzt gefährlich: Das G8 gehört zwar bald, im Moment aber noch nicht der Vergangenheit an. Ein historisches Urteil kann deshalb noch nicht gefällt werden. Dennoch formuliere ich die These, dass das G8 den historisch gewachsenen Charakter des Schyren-Gymnasiums nicht hat zerstören können, weil die Schulgemeinschaft sich ihren Schwung allen Belastungen zum Trotz nicht hat nehmen lassen. So hat etwa die Aufführung des Musicals „Gisela und Stefan“ gezeigt, dass die Schule ihrer Aufgabe, sich am kulturellen Leben zu beteiligen, nach wie vor gerecht wird, und das wie so oft in ihrer Geschichte mit internationaler Perspektive, in diesem Fall der Kooperation mit einer Budapester Schule. Internationalität offenbart sich auch in der Einführung von Spanisch als dritter Fremdsprache und der Etablierung eines Schüleraustauschs mit Spanien (der erste Wahlkurs Spanisch wurde im Schuljahr 1988/89 angeboten). Die innere Schulentwicklung schreitet voran: Streicher- und im nächsten Schuljahr Forscherklasse, Debattenschulaufgabe, bilingualer Unterricht, „Schule ohne Rassismus“, „Trainingsraum“ für Schüler, die sich nicht im Griff haben, Schulsanitätsdienst usw. Die Öffnung nach außen zeitigt große Erfolge: Als Referenzschule der TU München hat das Schyren-Gymnasium für die Projekte im Schülerforschungszentrum Berchtesgaden, die es mit wissenschaftlicher Begleitung durchgeführt hat, kürzlich den hochdotierten ersten Preis im Wettbewerb „Schule trifft Wissenschaft“ der Robert-Bosch-Stiftung gewonnen. Hier wurde die in den 90er Jahren grundgelegte Handlungs- und Erlebnisorientierung des naturwissenschaftlichen Unterrichts auf ein neues Niveau gehoben. Mit dem Ausbau der Digitalisierung der Schulverwaltung – „Infoportal“, „Vertretungsplan-App“ – schreitet man auf dem Weg der Technisierung voran, für den die Schule schon immer ein besonderes Faible hatte. Die Reihe ließe sich fortsetzen, aber ich möchte nicht prahlen. Die Behauptung jedenfalls, das G8 habe lediglich gestresste Schüler und Lehrer erzeugt und das Engagement über den Unterricht hinaus weitgehend abgetötet, ist bezogen auf das Schyren-Gymnasium mindestens fragwürdig.

50 Jahre Schyren-Gymnasium: Erkenntnisse?

Zum Schluss ein paar knappe Bemerkungen zu der Frage, welche Erkenntnisse ich persönlich aus der Beschäftigung mit der 50-jährigen Geschichte des Schyren-Gymnasiums gewonnen habe.

Erstens: Das Schyren-Gymnasium ist wie jede andere Schule in einen gesamtgesellschaftlichen und politischen Kontext eingebunden, dem es sich nicht entziehen kann.

Zweitens: Das Jubiläumsmotto ist ein Volltreffer.

Drittens: Alle Probleme, die an einer Schule entstehen können, waren schon einmal da und sind gelöst worden. Es bricht nichts dauerhaft zusammen – eine beruhigende Erfahrung, die Historiker immer wieder machen!

Viertens: Schüler stellen nicht erst heutzutage, sondern immer schon eine spannende Herausforderung für ihre Lehrer und die Schulleitung dar.

Fünftens: Es gibt immer Schüler, mit denen man weit über den Unterricht hinaus etwas anfangen kann. Diesen muss unser besonderes Augenmerk gelten.

Sechstens: Der Unterricht, von dem heute Abend eher wenig die Rede war, ist das Kerngeschäft der Lehrer, aber auch sonst geht nichts ohne sie. Am Schyren-Gymnasium wurde etwas immer dann zum Erfolg, wenn Lehrer selbst initiativ wurden oder an Aktivitäten der Schüler und Eltern mitwirkten. Auf Namen habe ich in meinem Vortrag nur deshalb weitgehend verzichtet, weil ich die Bedeutung der Schulgemeinschaft betonen und niemandem durch Nichterwähnung Unrecht tun wollte. Wenn ich auch noch Namen genannt hätte, wäre mein Vortrag länger geworden, als er ohnehin schon ist.

Siebtens: Große Dinge, nicht nur im musischen Bereich, gehen stets aus der engagierten Zusammenarbeit vieler hervor. Eine Schulgemeinschaft, in der man miteinander auskommt und sich mit Respekt und Wertschätzung begegnet, ist die Voraussetzung für eine gute Schule.

Schließlich: Das Schyren-Gymnasium war und ist ein gute, eine moderne Schule, und ich bin gerne ihr Direktor.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!