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Zeitzeugengespräch mit dem Holocaust-Überlebenden Abba Naor

Die besondere Gelegenheit, mit einem Überlebenden des Holocaust zu sprechen, hatte am vergangenen Dienstag die 11. Jahrgangsstufe, die im Rahmen des Geschichtsunterrichts zum Zeitzeugengespräch mit Abba Naor nach Dachau fuhr.

Abba Naor, geboren 1928 in Kaunas in Litauen, überlebte Vertreibung, Ghetto und Konzentrationslager und wurde im Mai 1945 auf einem Todesmarsch in der Nähe von München befreit. Er und sein Vater überlebten, seine Mutter und seine beiden Brüder wurden ermordet. Seit Jahrzehnten berichtet er als Zeitzeuge.

Beinahe drei Stunden spricht der 97-Jährige mit den Schülerinnen und Schülern, erzählt aus seinem Leben und berichtet über die Verbrechen, die er erleben musste. Dazu holt er weit aus in der Geschichte und erzählt von den Anfängen der jüdischen Bevölkerung in Litauen, Juden, die aus Portugal eingewandert waren und jahrhundertelang dort lebten, und von einer glücklichen Kindheit, die er selbst dort verbracht hat: „Wir lebten miteinander, nicht nebeneinander.“ Kaunas, das sei für ihn bis heute Heimat.

Mit dem Einmarsch der Deutschen, die von vielen als Befreier von der sowjetischen Herrschaft gesehen wurden, änderte sich für die jüdische Familie alles. Abba Naor erzählt, wie sich die befreundeten Nachbarn abwandten, wie aus der Nenn-Tante eine Frau wurde, die ihn nur noch als unerwünschten Juden sieht. Es folgten die erzwungene Unterbringung im Ghetto Kaunas im August 1941, wo Naors älterer Bruder bei dem Versuch, Lebensmittel zu besorgen, erschossen wurde, schließlich 1944 die Deportation in das Konzentrationslager Stutthof bei Danzig. Hier wurde die Familie endgültig getrennt, sein jüngerer Bruder und seine Mutter wurden in Auschwitz ermordet. Er selbst wurde in verschiedene Außenlager des KZ Dachau gebracht, bevor er schließlich am 2. Mai 1945 bei Waakirchen befreit worden ist.

Am Ende bleibt die Frage nach dem Warum: „Ich gehe davon aus, niemand hat sie dazu gezwungen, ihre Nachbarn zu töten.“ Und auf die Frage einer Schülerin, ob er an Gott glaube, antwortet er, er halte Glauben für etwas sehr Positives, frage sich jedoch, wo Gott denn gewesen sei, als er ihn gebraucht habe. Trotz allem aber erzählt Abba Naor, gestützt auf viele Fotografien und Dokumente, ohne Verbitterung, mit feinem Humor und mit einem versöhnlichen Blick nach vorn. Immer wieder ermahnt er die Jugendlichen: „Die Welt wartet auf euch, die Zukunft gehört euch, lasst euch nicht verführen.“ Der Einsatz lohne sich, denn „das Leben ist eine feine Sache“, so Abba Naor.

Obwohl oder vielleicht gerade weil die Fakten den Jugendlichen weitgehend bekannt sind, hinterlässt das Gespräch tiefe Betroffenheit. Dass hier mit Abba Naor eine Person vor ihnen sitze, die all das, was man aus den Geschichtsbüchern kennt, wirklich erlebt hat und vor deren innerem Auge beim Erzählen vermutlich Bilder der Erinnerung an all diese schrecklichen Erlebnisse ablaufen, beeindrucke sehr tief und rücke die Geschehnisse aus der Distanz der Vergangenheit ganz nah heran, so das Fazit der Schülerinnen und Schüler.

Text und Bild: Sonja Schmidmayr