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„Der Glöckner von Notre-Dame“ – ein schauriges Vergnügen

Mit anmutigen Tänzen zieht die junge Esmeralda im spätmittelalterlichen Paris ihre Verehrer in den Bann. Der finstere Domprobst ist ihr hoffnungslos verfallen und stellt ihr nach. Dabei soll ihm der bucklige Glöckner Quasimodo behilflich sein. Doch der kann sich Esmeraldas Anziehungskraft selbst nicht erwehren – kurz, das Schyren-Theater liefert mit Ulrich Zaums Bühnenstück nach Viktor Hugos „Glöckner von Notre-Dame“ klassisch-schaurige Unterhaltung zum Schuljahresausklang. Die Inszenierung unter der Leitung von Ruth Knoll feierte am Montagabend Premiere in der Aula des Gymnasiums; eine zweite Vorstellung folgt diesen Samstag.

Hervorragend agiert Valentina Ertl, die leichtfüßig als Esmeralda durchs Stück tanzt und sich so einen anmutigen Schwung beigebracht hat, der, man weiß nicht wie, fast schon in echt bezaubernd ist. Und dann Yvonne Yakin als Claude Frollo mit seiner fiesen Triebhaftigkeit! Angesichts ihrer Ausdruckskraft kann man nur bitter darüber klagen, dass Yakin früher nie in einer großen Rolle auf dem Schyren-Theater zu sehen war. Aber da ist nun nichts mehr zu machen, beide haben das Abitur in der Tasche und sind eigentlich schon weg.

Bemerkenswert ist, dass auch Nachwuchsakteure aus der Unterstufe bereits tragende Rollen besetzen, wodurch sie fest ans Ensemble gebunden werden: Max Weiher gibt einen eiskalten Ludwig XI., den die leidigen Sparzwänge zu immer neuen Eruptionen von Menschenverachtung inspirieren. Und Reinold Lifke entwickelt in der Titelrolle eine beachtliche Bühnenpräsenz – als er nämlich in der zweiten Hälfte endlich Esmeralda im Kerker gegenübersteht. Man darf sich darauf freuen, wie diese jungen Darsteller sich noch entwickeln werden!

In allem überzeugend auch Jonathan Brock als Victor Hugo, der durch seine eigenes Werk stiefelt, Romanpassagen zitierend, die dann – pfiffige Idee! – als ironischer Kommentar eines Stückes wirken, das es ohne den Roman ja nicht gäbe. Auch Brock hat gerade nach der Pause ein paar große Momente, und so beeindruckend und so gründlich wie er hat sich überhaupt noch nie irgendwer auf unserer Schulbühne abschlachten lassen – wie überhaupt Freunde von Galgen, Pranger, Rammbock auf ihre Kosten kommen, so von Requisiten her, und wenn die Inszenierung ein wiederkehrendes Dingsymbol hätte wie eine Novelle, so wäre es das Klappmesser. Übrigens braucht man sich von der Collagenhaftigkeit der ersten Hälfte nicht verunsichern zu lassen – nach der Pause werden die losen Fäden zügig zusammengeflochten und sauber vernäht.

Insgesamt sind es neunzehn Darsteller, die gewandt und mit Freude interagieren, gemeinsam mit den Technikern und Bühnenbildnern eine stimmige Premiere hinbekommen haben und allesamt Lob verdienen; immer wieder gab es vom Publikum Szenenapplaus. Wobei man sich fragt, wozu ausgerechnet im „Glöckner von Notre Dame“ ein riesiger Joint vorkommen muss, da versteh einer die jungen Leute von heute, und das an einer Schule, wo Drogenprävention gelebt wird! Na, immer noch besser, sie rauchen die Tüte im Stück als im richtigen Leben.

Text und Foto: Roland Scheerer